Jos de Mul. Polyzentrizität und Poly(ex)zentrizität: neue Stufen der Positionalität? Zu Telerobotern, Craniopagus-Zwillingen und globalen Gehirnen. In: A. Henkel & G. Lindemann (Hrsg.) Mensch und Welt im Zeichen der Digitalisierung. Baden Baden: Nomos, 2019, 187-207.
In diesem Kapitel untersuche Ich die Möglichkeit einer nächsten Stufe der Positionalität jenseits der Stufe der exzentrischen Positionalität, wie sie Plessner in Die Stufen des Organischen und der Mensch eingeführt hat. Ich stelle zwei mögliche Kandidaten für eine nächste Positionalitätsstufe vor. Die erste Möglichkeit betrifft telerobotic experiences (telerobotische Erfahrungen), über die Howard Rheingold in seinem Buch Virtual Reality von 1995 berichtete und auf die ich in meinem Freiburger Vortrag von 2000 zurückgegriffen hatte. Entsprechende telerobotische Experimente wurden in jüngerer Zeit von Wissenschaftlern wie dem japanischen Roboterforscher Hiroshi Ishiguro in seinen Experimenten mit geminoiden Robotern noch systematischer und detaillierter fortgeführt – mit androiden Robotern, die existierenden Personen gleichen, im Falle von Ishiguro ihm selbst. In diesem Kontext werde ich diese künstlichen Formen der Polyzentrizität zudem mit deren natürlichem Gegenstück vergleichen: der sogenannten Schwarmintelligenz (hive mind) sozialer Insekten. Als zweiten Kandidaten einer möglichen nächsten Positionalitätsstufe
werde ich die sogenannten Craniopagus-Zwillinge diskutieren. Es handelt sich dabei um Zwillinge, die an Kopf und Gehirn verbunden sind. Weil sie so Teile des Thalamus teilen (einen Bereich des Gehirns, der für das Bewusstsein eine wichtige Rolle spielt), sind sie in der Lage, wechselseitig ihre Gedanken zu lesen. Obwohl Craniopagus-Zwillinge ein sehr seltenes Naturphänomen sind, könnte die Form von Positionalität, die sich in ihnen ausdrückt, als Vorreiter jener künstlicher Formen poly(ex)zentrischer Positionalität angesehen werden, die die Form künstlicher Thalamus-Brücken (artifical thalamic bridges) annehmen. Diese könnten ein zentrales Element in der Konstruktion sogenannter globaler Gehirne sein und eine menschliche Schwarmintelligenz begleiten.
1. Einleitung
Im November 2000 fand der erste internationale Plessner-Kongress in Freiburg im Breisgau statt. Die Veranstalter*innen hatten als Kongressthema “exzentrische Positionalität” gewählt. Es ist offensichtlich, dass dies keineswegs eine besonders überraschende Wahl war – schließlich ist “exzentrische Positionalität” das Schlüsselkonzept von Plessners Philosophischer Anthropologie und damit die Grundlage seiner soziologischen Schriften. Indem der Begriff der “Positionalität” erheblich mehr umfasst als die Sphäre des Menschlichen, handelt es sich dabei zudem um eines der fundamentalen Konzepte der gesamten Phänomenologie und hermeneutischen Naturphilosophie.
Auf dem Freiburger Kongress hielt ich einen Vortrag mit dem Titel . 'Virtual Anthropology. Helmuth Plessner Explained for Cyborgs' (virtuelle Anthropologie, Helmuth Plessner erklärt für Cyborgs), in dem ich die Möglichkeit einer vierten Positionalitätsstufe diskutierte. Als möglichen Kandidaten für eine solche vierte Stufe schlug ich „Poly(ex)zentrizität“ vor und verwendete Telepräsenz als Beispiel.[1] Da aus diesem ersten Kongress kein Sammelband hervorging, publizierte ich eine leicht erweiterte und mit graphischen Illustrationen der verschiedenen Positionalitätstypen versehene Fassung des Vortragstextes auf Niederländisch, die ein Kapitel meines 2002 erschienenen Buches Cyberspace Odyssee bildete (De Mul 2002). Die englische Fassung wurde ein Jahr später in der Zeitschrift Information, Communication & Society unter dem Titel 'Digitally Mediated (Dis)embodiment: Plessner’s concept of excentric positionality explained for cyborgs' veröffentlicht und erschien zudem in der englischen Übersetzung des besagten Buches (Cyberspace Odyssey. Towards a Virtual Ontology and Anthropology, De Mul 2010).
Obwohl ich seitdem meine Überlegungen zur Poly(ex)zentrizität im Zuge verschiedener Vorträge an der Erasmus Universität weiterentwickelte, publizierte ich diese Überlegungen bislang nicht – mein Beitrag zum vierten internationalen Plessner Kongress 2009 in Rotterdam ausgenommen: 'Philosophical Anthropology 2.0. Reading Plessner in the Age of Converging Technologies', der im Konferenzband Plessner’s Philosophical Anthropology. Perspectives and Prospects im Jahr 2014 erschien.
Die Einladung auf der Tagung Mensch und Welt im Zeichen der Digitalisierung zu sprechen, eröffnet mir nun die wunderbare Gelegenheit, auf das Thema der Poly(ex)zentrizität zurückzukommen, meine weitergeführten Überlegungen vorzustellen und deren Nützlichkeit für das Nachdenken über den gegenwärtigen und künftigen Status natürlicher Künstlichkeit zu diskutieren. Dabei ist der Gegenstand derselbe: die Möglichkeit einer nächsten Stufe der Positionalität jenseits der Stufe der exzentrischen Positionalität, wie sie Plessner in Die Stufen des Organischen und der Mensch eingeführt hat.
Ich werde zwei mögliche Kandidaten für eine nächste Positionalitätsstufe vorstellen. Die erste Möglichkeit betrifft telerobotic experiences (telerobotische Erfahrungen), über die Howard Rheingold in seinem Buch Virtual Reality von 1995 berichtete und auf die ich in meinem Freiburger Vortrag von 2000 zurückgegriffen hatte. Entsprechende telerobotische Experimente wurden in jüngerer Zeit von Wissenschaftlern wie dem japanischen Roboterforscher Hiroshi Ishiguro in seinen Experimenten mit geminoiden Robotern noch systematischer und detaillierter fortgeführt – mit androiden Robotern, die existierenden Personen gleichen, im Falle von Ishiguro ihm selbst. In diesem Kontext werde ich diese künstlichen Formen der Polyzentrizität zudem mit deren natürlichem Gegenstück vergleichen: der sogenannten Schwarmintelligenz (hive mind) sozialer Insekten.
Als zweiten Kandidaten einer möglichen nächsten Positionalitätsstufe werde ich die sogenannten Craniopagus-Zwillinge diskutieren. Es handelt sich dabei um Zwillinge, die an Kopf und Gehirn verbunden sind. Weil sie so Teile des Thalamus teilen (einen Bereich des Gehirns, der für das Bewusstsein eine wichtige Rolle spielt), sind sie in der Lage, wechselseitig ihre Gedanken zu lesen. Obwohl Craniopagus-Zwillinge ein sehr seltenes Naturphänomen sind, könnte die Form von Positionalität, die sich in ihnen ausdrückt, als Vorreiter jener künstlicher Formen poly(ex)zentrischer Positionalität angesehen werden, die die Form künstlicher Thalamus-Brücken (artifical thalamic bridges) annehmen. Diese könnten ein zentrales Element in der Konstruktion sogenannter globaler Gehirne sein und eine menschliche Schwarmintelligenz begleiten.
Bevor ich auf diese beiden Beispiele eingehe, werde ich im ersten Abschnitt Plessners eigene Gedanken zur Möglichkeit einer nächsten Stufe der Positionalität diskutieren.
2. Stufen: Entwicklungslogik versus Dynamik
Ein Fehler, der beim oberflächlichen Lesen von Plessners Die Stufen des Organischen und der Mensch häufig vorkommt, liegt darin, die Stufen als eine Art Zusammenfassung der Evolutionstheorie zu begreifen – also als eine konzise Beschreibung der Evolution des Lebens auf der Erde. In Mit anderen Augen wendet sich Plessner emphatisch gegen eine solche Lesart und betont, dass die Stufen als eine Analyse der Bedingungen der Möglichkeit von Leben zu verstehen seien, oder, wie er es definiert, als „eine Logik der lebendigen Form”:
Die Stufen wollen nicht etwa im Sinne einer Abbreviatur der Evolutionstheorie verstanden sein, sondern als eine Logik der lebendigen Form und darüber hinaus als Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit des Menschseins. Es bedürfte dazu eines ganz neuen Ansatzes, den ich im Verhältnis eines physischen Körpers zu seiner Begrenzung fand. (Plessner 1982, S. 6)
Während die Evolutionstheorie Darwins die kontingente Evolution von Leben auf der Erde beschreibt und versucht, die Dynamiken des Evolutionsprozesses unter Rückgriff auf Naturgesetze und biologische Mechanismen wie die natürliche Selektion zu erklären, ist Plessners Logik eine transzendentale Deduktion und Interpretation des Phänomens „Leben“. Oder, wie er es in Die Stufen in der Sprache von Kants transzendentaler Philosophie ausdrückt, eine “apriorische Theorie der organischen Wesensmerkmale” (Plessner 1980, IV, S. 158), die auf eine phänomenologische Beschreibung der „lebendigen Form“ zielt (ebd. IV, S. 9, S. 187).[2]
Im Vorwort der zweiten Auflage von Die Stufen (1975) bestimmt Plessner seinen apriorischen Ansatz weiter, indem er ihn von Kants – seiner Ansicht nach zu intellektualistischen – Konzept des a priori unterscheidet. Er betont, dass die „lebendige Form“ keine theoretische Konstruktion ist, sondern „an der anschaulichen Struktur sogenannter Dinge unserer Wahrnehmung gewonnen” ist (Plessner IV, S. 28). Und er fährt fort:
Apriorisch ist die Theorie also nicht kraft ihres Ausgangspunktes, als wolle sie aus reinen Begriffen unter Beiziehung von Axiomen ein deduktives System entwickeln, sondern nur kraft ihrer regressiven Methode, zu einem Faktum seine inneren ermöglichenden Bedingungen zu finden. (Plessner IV, S. 29-30)
Plessner definiert diese Bedingungen der Möglichkeit weiter als “materialapriorische[…] Wesenscharaktere” des Lebens (Plessner IV, S. 172; vgl. Plessner VIII, S. 392 f.), also:
vorbewußte, zu tieferen Existenzschichten der Lebensträger, der Organismen (nicht als seiende Objekte, sondern als lebende Subjekte verstanden) gehörige Aprioriformen, Existenzkategorien, Vitalkategorien […], auf denen das Zueinander und Miteinander des Organismus und der Umwelt beruht. (Plessner IV, S. 110)
Allerdings nimmt Plessners (ontologische) Analyse der verschiedenen Stufen des Organischen ausgehend von seiner regressiven Methode eine (ontische) Evolution der Organismen auf der Erde an – und in diesem Sinne kann die Methode von Die Stufen als aposteriorisch bezeichnet werden. Obwohl Die Stufen keine “Abbreviatur der Evolutionstheorie“ ist, sondern eine transzendental-phänomenologische Beschreibung lebendiger Formen, hängt sie ganz von dem Gegebensein der aktuellen Evolution ab und ist offen für künftige Entwicklungen.
In dieser Hinsicht wiederholt Plessners Methode Wilhelm Diltheys Kritik der historischen Vernunft (vgl. De Mul 2004). Nicht nur in dem Sinn, dass Plessners Stufen, genau wie Diltheys Lebensphilosophie das Lebens-Phänomen als Ausgangspunkt nimmt, sondern auch, weil Plessner im ersten Kapitel von Die Stufen, wiederum wie Dilthey, betont, dass er „versucht Philosophie und Empirie miteinander zu verbinden“ (Plessner IV, S. 58). Diltheys Kritik der historischen Vernunft – in dieser Hinsicht nicht nur Plessners Stufen, sondern auch Heideggers Seinsgeschichte nach der Kehre, Piagets dynamischen Kantianismus und Foucaults Archäologie vorwegnehmend – rekonstruiert die Geschichte der sukzessiven “Aprioriformen, Existenzkategorien, (und) Vitalkategorien” (um noch einmal die Konzepte zu zitieren, die Plessner benutzt, um „materialapriorische Wesenscharactere” des Lebens zu beschreiben).
Das archetypische Modell seiner Historisierung von Kants Transzendentalphilosophie ist Hegels metaphysische Geschichte des Geistes. Allerdings kann für Dilthey die Rekonstruktion der Geschichte des Lebens nicht länger eine apriorische, theoretische Konstruktion sein, sondern sie kann nur a posteriori rekonstruiert werden.
Zu beachten ist an diesem Punkt allerdings, dass Plessner zögert, diesen Schluss zu ziehen. In seiner Analyse der exzentrischen Positionalität charakterisiert er die menschliche Lebensform und schreibt:
Zu immer neuen Akten der Reflexion auf sich selber, zu einem regressus ad infinitum des Selbstbewußtseins ist auf dieser äußersten Stufe des Lebens der Grund gelegt und damit die Spaltung in Außenfeld, Innenfeld und Bewußtsein vollzogen.
Man begreift, warum die tierische Natur auf dieser höchsten Positionsstufe erhalten bleiben muß. Die geschlossene Form der Organisation wird nur bis zum Äußersten durchgeführt. Zeigt doch das lebendige Ding in seinen positionalen Momenten keinen Punkt, von dem aus eine Steigerung erzielt werden könnte, außer durch Verwirklichung der Möglichkeit, das reflexive Gesamtsystem des tierischen Körpers nach dem Prinzip der Reflexivität zu organisieren und das, was auf der Tierstufe das Leben nur ausmacht, noch in Beziehung zum Lebewesen zu setzen. Eine weitere Steigerung darüber hinaus ist unmöglich, denn das lebendige Ding ist jetzt wirklich hinter sich gekommen. (Plessner IV, S. 363, Kursivierung JdM)
In dieser zentralen Passage scheint Plessner zu der Art Kantianischem Transzendentalismus zurückzukehren, in dem die Logik der lebendigen Form einen zeitlosen Charakter hat (nicht unähnlich Heideggers Daseinanalytik in Sein und Zeit – bien étonnés de se trouver ensemble!). Obwohl es richtig sein mag, dass Plessner – wie er im Vorwort der zweiten Ausgabe (1975) betont – kein deduktives System aus reinen Konzepten anbietet, gibt die Entwicklungslogik der nachfolgenden Stufen der Positionalität seiner Argumentation eine „konzeptionelle Schließung“, die der konzeptionellen Notwendigkeit in Hegels dialektischer Synthese ähnelt. Wie dem auch sei, scheint diese Entwicklungslogik Plessner davon zu überzeugen, zumindest in Passagen wie der soeben zitierten, die Annahme zu verwerfen, dass die historische Entwicklung des materialapriorischen Charakters des Lebens offen für gänzlich neue Lebensformen ist. Gleichwohl sollte unsere Exzentrizität nicht als letzter Schritt in einem logischen System verstanden werden, sondern selbst als kontingentes Ergebnis einer langen evolutionären, historischen, kulturellen und technologischen Entwicklung, die offen für weitere Veränderungen und Entwicklungen ist (Nauta 1991; De Mul 2003). Obwohl Plessner betont, dass Exzentrizität bereits impliziert, eine Geschichte hinter sich zurückzulassen[3], schien diese Geschichte wiederum vollständig in der Stufe der exzentrischen Positionalität eingesperrt zu sein. Mit anderen Worten: Nach Plessner wäre die Entstehung weiterer Stufen ausgeschlossen.
Nimmt man seine aposteriorische Methode als gegeben, so scheint es jedoch relativ inkonsistent, die Möglichkeit weiterer Positionalitätsstufen aus „aprioristischen Gründen“ auszuschließen. Angesichts der vergangenen – ungefähr (Dodd et al. 2017) – vier Milliarden Jahre Evolution von Leben auf der Erde schiene es zudem recht naiv (insbesondere für einen Biologen), zu fordern, dass der exzentrische Positionalitätstyp, der den Homo sapiens charakterisiert, die höchste Positionalitätsstufe darstellt, die “lebende Dinge” jemals erreichen könnten.
Letztendlich wird die Natur- und Kulturgeschichte dies entscheiden. Im Folgenden werde ich jedoch argumentieren, dass wir im Zeitalter konvergierender Technologien – Informationstechnologie, Nanotechnologie, Biotechnologie und Neurowissenschaften – bereits einem emergierenden neuen Positionalitätstyps begegnen: der Poly(ex)zentrizität.
3. Polyzentrische Positionalität bei Telerobotern und sozialen Insekten
Der Begriff der Poly(ex)zentrizität kam mir erstmals in den Sinn, als ich Mitte der 1990er Jahre das Buch Virtual Reality von Howard Rheingold (1991) las, in dem er von seinen ersten Erfahrungen mit Telepräsenz-Technologien berichtete, die im Labor von Dr. Tachi in Tsukuba (Japan) stattfanden. Während der sogenannten Telepräsenz ist eine Person mit einem Datenhelm oder einer Datenbrille mit stereographischem Display ausgestattet sowie Kopfhörern und einem Daten-Handschuh oder einer Daten-Jacke. Es handelt sich dabei um mit Sensoren ausgestattete Kleidungsstücke, die Körperbewegungen registrieren und taktile Erfahrungen bei deren Träger erregen können. Helm, Handschuhe und Jacke sind mit einem Roboter verbunden, der seinerseits über Kameras, Mikrophone und Sensoren verfügt. Dank eines visuellen Displays und Kopfhörern sind wir in der Lage, mit den künstlichen Sinnen des Roboters zu sehen, zu hören und zu fühlen; und Dank des intermediären Computers, der unsere Bewegungen in (fast) „Echtzeit“ registriert und sie in Instruktionen für den Roboter übersetzt, reagiert der Roboter auf unsere Bewegungen. Wenn wir unseren Kopf bewegen, bewegt der Roboter seinen Kopf; wenn wir unsere Hand nach einem Objekt ausstrecken, streckt der Roboter seine Pranke aus.
Dr. Tachi lud Rheingold ein, den Helm und die anderen Hilfsmittel anzuziehen. Rheingold berichtet dabei, dass es sich anfühlte als ob sein Zentrum visueller und auditiver Erfahrungen auf den Roboter übertragen worden sei. Er beschreibt dies so:
The strangest moment was when Dr. Tachi told me to look to my right. There was a guy in a dark blue suit and light blue painted shoes reclining in a dentist’s chair. He was looking to his right so I could see the bald spot on the back of his head. He looked like me, and abstractedly I understood that he was me, but I know who is me, and me is here. He, on the other hand, was there. It doesn’t take a high degree of sensory verisimilitude to create a sense of remote presence. [...] It was an out of the body experience, no doubt about it. (Rheingold 1991, S. 264)
Das Telepräsenzphänomen ist nicht vollkommen neu. Telefon, Radio und Fernsehen können als dessen primitive Vorläufer angesehen werden. Der Unterschied zu diesen früheren Formen ist, dass der Nutzer einer Telepräsenztechnologie körperlich in die Telepräsenz-Umgebung eintaucht, indem sein Körper mit einem entfernten robotischen Körper verbunden ist, der ihm ermöglicht, in dieser Umgebung zu navigieren und mit ihr zu interagieren.
Als ich dies 1995 las, war dies für mich aus mehreren Gründen der Auslöser für einen Geistesblitz. In der Zeit, als ich Rheingolds Buch las, kamen Begriffe wie virtuelle Realität und Cyberspace gerade im philosophischen Diskurs auf und waren oft verbunden mit einem Cartesianischen, stark dualistischen Menschenbild. In Büchern wie Hans Moravecs Mind Children: The Future of Robotic and Human Intelligence (Moravec 1988) und Rheingolds Virtual Reality (1991) wurden Themen wie “Hochladen des Geistes in den digitalen Raum”, “Emigration in den Cyberraum” und andere Entkörperungsphantasien diskutiert. Mein erster Eindruck war, dass Rheingolds Beschreibung als eine Art „out of the body experience“ zu demselben Diskurs gehören würde.
Doch erinnerte mich seine Beschreibungsperspektive in der ersten Person an Plessners Beschreibung der exzentrischen Positionalität in Die Stufen. Wie bereits bekannt ist, bildet der physische Körper den Ausgangspunkt von Plessners Naturphilosophie. Lebende Dinge unterscheiden sich von nicht-lebenden Körpern durch ihre spezifische Umweltrelation. Während im Falle nicht-lebender Dinge, ein solches Ding und sein Medium lediglich durch eine Kontur getrennt sind, die weder dem Körper noch dem ihn umgebenden Medium angehört (es ist eine Leere dazwischen), so gehört im Falle des lebenden Dings die Grenze eben dem lebendem Ding selbst an.
Unter Verwendung von Plessners graphischer Notation des nicht-lebenden und des lebenden Dings in den Stufen (Plessner IV, S. 155), können die drei Manifestationen der lebendigen Form, die Plessner in den Stufen beschreibt, folgendermaßen visualisiert werden (vgl. Abbildung 1):
Abbildung 1: Three types of positionality (Plessner)
Obwohl alle Organismen in ihre Grenze gesetzt sind, so müssen sie doch gleichzeitig, solange sie leben, ihre Grenze kontinuierlich realisieren (Setzung). Allerdings geschieht dies auf den drei Stufen des Lebendigen in je bestimmter und zunehmend komplexer Weise. Während die Pflanze in allen ihren Lebensäußerungen in ihre Umwelt in einer unmittelbaren Weise integriert ist (“in allen seinen Lebensäußerungen unmittelbar seiner Umgebung eingliedert” (Plessner IV, S. 284), ist im Falle des Tieres die Interaktion mit der Umwelt vermittelt über dessen Zentrum (das, aus der Perspektive der empirischen Biologie, verbunden ist mit der Entstehung von zentralem Nervensystem, Gehirn und sensomotorischen Organen). Im Falle des Menschen schließlich erfolgt eine zweite reflexive Mediation, in der die zentrische Mediation selbst vermittelt wird.
Plessners Zusammenfassung der drei Positionalitätstypen scheint mit meiner Visualisierung übereinzustimmen, da er die exzentrische Positionalität im letzten Kapitel über die menschliche Sphäre folgendermaßen formuliert: „Positional liegt ein Dreifaches vor: das Lebendige ist Körper, im Körper (als Innenleben oder Seele) und außer dem Körper als Blickpunkt, von dem aus es beides ist“ (Plessner IV, S. 365). Oder, formuliert aus der Perspektive der innerlichen Erfahrung: „Er lebt und erlebt nicht nur, sondern er erlebt sein Erleben“ (Plessner IV, S. 364).
Rheingolds Beschreibung seiner Telepräsenzerfahrung stimmt damit ebenfalls überein. Während des Experiments war er sich nicht nur sehr bewusst, dass er ein Körper und in seinem Körper ist, sondern auch, dass er gleichzeitig auch außerhalb seines Körpers ist. Er gab also eine akkurate Schilderung der exzentrischen Positionalität ab, die die menschliche Lebensform auszeichnet. Wir können nun hinzufügen, dass dieser Typus der Positionalität die Bedingung der Möglichkeit von Telepräsenz-Erfahrungen ist. Nur weil exzentrisch positionale Wesen immer zur gleichen Zeit innerhalb und außerhalb ihrer Körper sind, sind sie in der Lage, Telepräsenz zu erfahren.
Allerdings besteht ein wichtiger Unterschied zwischen einer alltäglichen außerhalb-des-Körpers Erfahrung (zum Beispiel, wenn man in einem Tagtraum an einem anderen Ort ist oder die Perspektive einer anderen Person einnimmt), und der Erfahrung, die durch einen Teleroboter vermittelt wird. Der Unterschied ist, dass in einer Telepräsenzerfahrung die Exzentrizität technologisch objektiviert und verkörpert wird. Während wir im Fall der alltäglichen Exzentrizität einen virtuellen Körper außerhalb unseres realen Körpers bewohnen, wird dieser virtuelle Körper im Falle des Teleroboters ein realer Körper.
Dies gilt in gewissem Maße bereits im Falle der primitiven Formen der Telepräsenz, wie beim Telefon, das meine Stimme durch den Lautsprecher in den Lautsprecher des Telefons hinein objektiviert. Aber es gilt erheblich stärker im Falle der Telepräsenz, die durch den künstlichen Körper eines Roboters vermittelt ist. In Plessners Terminologie kann man argumentieren, dass wir uns im Falle der Telepräsenz in dem Körper des Roboters situiert finden. Das Zentrum meiner audiovisuellen Erfahrung liegt dabei hinter den Kamera-Augen des Roboters. Schließlich bin ich es, der mit der Hilfe künstlicher sensomotorischer Apparate die Umgebung des Roboters beobachtet und mit ihr interagiert. Wenn ein Objekt sich dem Roboter nähert, nehme ich es wahr als sich mir zubewegend und ich weiche ihm aus. Ich bin es auch, der meine Hand ausstreckt, um einen Gegenstand zu greifen, der sich vor dem Roboter befindet. In der Telepräsenz wird der künstlich Körper – oder Doppelgänger – Teil des eigenen Körpers und des eigenen Körperschemas. Die Doppelaspektivität, die das Leben charakterisiert, wird auch in Hinblick auf den künstlichen Körper erlebt. Wenn ich durch die künstlichen Sinne des Roboters beobachte, nehme ich den künstlichen Körper von innen aus wahr (als einen künstlich belebten Leib, den ich kontrollieren und wie ein Instrument benutzen kann). Allerdings ist er auch Teil der Außenwelt (wie ein künstlicher Körper), wenn ich in der Perspektive einer dritten Person wahrnehme (zum Beispiel, wenn ich durch die Kamera des Roboters auf „meine“ künstlichen Gliedmaße sehe).
In meinem Aufsatz von 2003 diente mir eine solche Telepräsenz-Erfahrung als Beispiel für Poly(ex)zentrizität t. In der Buchpublikation von 2010 habe ich versucht, das Konzept mit Hilfe folgender Illustration klarer darzustellen (vgl. Abbildung 2):
Abbildung 2: The four types of positionality (De Mul 2010, S. 204)
Die halboffenen kleinen Kreise verweisen auf eine Duplikation sowohl der zentrischen als auch der exzentrischen Position (um dies in der entsprechenden Terminologie zu verdeutlichen, habe ich “ex” in Klammern gesetzt: “poly” verweist auf sowohl “zentrisch” als auch “exzentrisch”). Allerdings musste ich bald darauf feststellen, dass sowohl die Illustration als auch das gewählte Konzept keine korrekte Wiedergabe der tatsächlichen telerobotischen Erfahrung sind. Obwohl tatsächlich eine Duplikation der verkörperten zentrischen Position stattfindet, erfolgt keine Duplikation der exzentrischen Position. Letztlich handelt es sich in diesem Fall lediglich um eine Ich-Perspektive, nämlich diejenige, die mit meinem physischen, biologischen Körper verbunden ist. Unsere exzentrische Positionalität ist nicht so sehr dupliziert, als vielmehr auf den robotischen Körper ausgedehnt.
Auch im Fall der zentrischen Positionalität ist das Wort „Duplikation“ nicht angebracht. Dies gilt zunächst, weil der robotische Körper kein Klon unseres physischen Körpers ist, sondern eher ein künstliches Modell desselben, hergestellt aus vollkommen anderen Materialien. Dass das Wort „Duplikation“ nicht angebracht ist, wird zudem deutlich, wenn man sich auf die körperlichen Funktionen konzentriert. Letztlich geht es dabei weniger um eine Duplikation körperlicher Funktionen, sondern eher um eine Verteilung dieser Funktionen über mehrere Körper (im Rheingold-Fall zwei, aber natürlich wäre es möglich, jeden Teil unseres sensomotorischen Apparats mit verschiedenen Telerobotern zu verbinden). Für telerobotische Erfahrung gilt, wie Moravec, der Autor des bereits erwähnten Buches Mind Children: The Future of Robotic and Human Intelligence, es in einen Interview treffend ausdrückt: “We find ourselves distributed over many locations” (Moravec 1995).
In Rheingolds Fall erfährt das menschliche Subjekt nur visuelle, auditive oder einige taktile Reize durch den künstlichen Körper, während Geruch, Temperatur und Selbstwahrnehmung (die Erfahrung von Reizen, die aus dem Nervensystem selbst stammen) als Erfahrung im biologischen Körper selbst stattfinden. Selbst wenn es möglich wäre, unseren gesamten sensomotorischen Apparat im Teleroboter abzubilden, wären die Sinne und Muskeln des biologischen Körpers immer noch notwendig, um die Umgebung des Roboters wahrzunehmen und mit ihr zu interagieren.
Nur in dem höchst unwahrscheinlichen Fall, dass es möglich wäre, ein menschliches Gehirn (lebendig!) in einen robotischen Körper so zu implantieren, sodass es als Erfahrungszentrum des Roboters funktioniert (und also vollständig mit dem sensomotorischen Apparat des Roboters integriert ist), würde es sich um eine reale Duplikation handeln. In diesem Fall wäre das Ergebnis aber kein digitaler Doppelgänger, sondern ein exzentrischer Cyborg. Zusammenfassend lässt sich festhalten: in Rheingolds telerobotischer Erfahrung begegnen wir nicht einer Poly(ex)zentrizität, sondern eher einer polyzentrischen Exzentrizität. Im ersten Augenblick kann eine solche Erfahrung recht verwirrend sein. Menschliche Erfahrung ist immer charakterisiert durch eine Ich-Perspektive und dabei total. Wenn ich in meinem Garten bin, bin ich es, der die Umgebung wahrnimmt – und nicht, beispielsweise, mein Nachbar. Hinzu kommt, dass ich die Bäume und Büsche, den kleinen Teich, die Hecke, die den Garten umgibt und den Himmel über ihm, die Geräusche der Vögel und den Duft der Blumen als Totalität erfahre. Im Fall der Telepräsenz erleben wir eine Art von Fragmentierung oder Dissoziation, eine Art Aufteilung innerhalb unserer Wahrnehmung. Für exzentrische Wesen ist dies natürlich nicht vollkommen neu. Wenn ich an meinem Schreibtisch sitze und einen Artikel schreibe und zur gleichen Zeit mit meiner Stereoanlage ein Live-Konzert von Ravi Shankar in New Delhi höre, das vor zwanzig Jahren aufgezeichnet wurde, ist meine Erfahrung ebenfalls in gewisser Weise in Raum und Zeit verteilt. Doch im Falle der telerobotischen Erfahrung ist der entscheidende Unterschied die Verteilung von Funktionen über verschiedene Körper.
Polyzentrizität ist nicht auf menschliche Wesen beschränkt, sondern ein Phänomen, dem man etwa auch bei bestimmten Tierarten begegnen kann. Ich denke hier insbesondere an soziale Insekten wie Ameisen und Honigbienen. Solche Tiere leben in Kolonien, wobei wesentliche Lebensfunktionen – wie Reproduktion und Metabolismus – zwischen den Individuen gewissermaßen verteilt sind. Zudem ist ihre Interaktion durch ein geniales Kommunikationssystem organisiert, das vor allem – zu mehr als 90% - aus chemischen Signalen (Pheromonen) besteht, die von in verschiedenen Körperteilen angesiedelten exokrinen Drüsen abgegeben werden. Sobald andere Kolonie-Mitglieder diese riechen oder schmecken, wird dadurch eine spezifische Antwort ausgelöst, wie etwa Alarm, Anziehung, Versammlung oder Anwerbung. Bei den meisten „primitiven“ Graden sozialer Insekten verfügen die Mitglieder noch über volles Reproduktionspotential; aber bei den weiter fortentwickelten Arten sozialer Insekten – bei denen, zum Beispiel, die reproduktive Funktion auf die Königinnenkaste beschränkt ist und andere Lebensfunktionen zwischen anderen Kasten verteilt sind - , könnten die einzelnen Mitglieder nicht alleine überleben.[4] Aus diesem Grund fordern die Biologen Hölldobler und Wilson in ihrem Buch The Superorganism. The Beauty, Elegance, and Strangeness of Insect Societies, dass das Konzept “Organismus” eher auf die Kolonie bezogen werden sollte als auf das “individuelle” soziale Insekt, das Teil dieser Kolonie ist. “Each colony” - betonen die Autoren – “is integrated tightly enough by its communication system and caste based division of labor to be called a superorganism” (Hölldobler and Wilson 2009, S. xvi).
In der telerobotischen Erfahrung ist polyzentrische Positionalität in der Assemblage eines Organismus (eines menschlichen Körpers) und eines Artefakts realisiert. In diesem Fall ist Polyzentrizität künstlich und realisiert im exzentrischen (menschlichen) Wesen. Aus diesem Grund könnte man von künstlicher polyzentrischer Exzentrizität sprechen. Es handelt sich um eine „primitive Form“ in dem Sinne, dass das menschliche Wesen immer noch sein reproduktives Potential hat; gleichzeitig ist es weiter entwickelt als die primitiven sozialen Insekten in dem Sinne, dass hier bereits eine auf zwei verschiedene Kasten – Mensch und Machine – beruhende Arbeitsteilung entstanden ist.
Der praktische Nutzen polyzentrischer telerobotischer Assemblagen steht außer Frage. Zurzeit werden sie bereits benutzt, um zum Beispiel, Polizei, Feuerwehr und Armee darin zu unterstützen, Individuen festzunehmen oder zu retten, sowie von Chirurgen, um sehr genaue chirurgische Eingriffe vorzunehmen oder solche auf größere Entfernung. In der Zukunft könnte diese Technologie vielleicht eingesetzt werden, um nano-molekulare Zellveränderungen vorzunehmen oder, um weit entfernte oder gefährliche Umgebungen in der Weltraumforschung aufzusuchen.
Schließlich werden Teleroboter auch als Instrument benutzt, um die telerobotische Erfahrung selbst systematisch zu untersuchen. Ein interessantes Beispiel sind geminoide Experimente, wie sie vom in Osaka angesiedelten Roboterforscher Hiroshi Ishiguro und seinem Team durchgeführt werden. Ishiguro wurde durch die Erschaffung von sogenannten geminoiden, androiden Robotern, bei denen es sich um künstliche Zwillinge menschlicher Wesen handelt, international bekannt. Im Jahr 2006 stellte Ishiguro den Geminoid HI 1 vor, der nach ihm selbst modelliert ist. Das zugrunde liegende Design ist dabei dasselbe: Wie Rheingold im Jahr 1990 kann Ishiguro eine entfernte Umwelt durch Kameras und Mikrophone seines Geminoiden wahrnehmen und dessen Bewegungen kontrollieren. Ishiguros Geminoid ist jedoch in zweierlei Hinsicht weiter entwickelt: er hat eine bestehende Ähnlichkeit mit seinem Erbauer (was die Identifikation mit dem Teleroboter stark erhöht) und die Interaktion ist nicht mehr nur auf die Bewegungen der Glieder des Roboters beschränkt, sondern schließt nun andere Personen mit ein, da er durch Lautsprecher auch verbal mit in der Tele-Umwelt befindlichen Personen interagieren kann.
Ishiguro benutzt seinen Geminoiden nicht nur, um Tele-Vorlesungen an der Universität Osaka zu geben und Konferenzen in aller Welt zu besuchen, sondern auch für verschiedene robotische, neurowissenschaftliche, psychologische und soziologische Experimente. Ich möchte hier nur auf eines seiner Experimente eingehen, bei dem es um die Erforschung der Aneignungs-Gefühle des telerobotischen Operators ging.
In Interviews und auch in der persönlichen Kommunikation, die ich mit Ishiguro während meines Aufenthalts als Gastprofessor in Kyoto im Jahr 2016 hatte, berichtete er, dass die Identifikation mit dem künstlichen Zwilling während dessen Gebrauchs so stark ist, dass er es sogar fühlt, wenn eine andere Person die Haut des Geminoiden berührt. Dies klingt eher unwahrscheinlich – und so entwickelte er zusammen mit Mitgliedern seines Teams ein Experiment, um die Besitz-Erfahrung des robotischen Körpers zu untersuchen. In diesem Experiment werden die Probanden gebeten, sehr einfache Aufgaben (Umgehen mit Bällen) auszuführen, indem sie die Hände des Teleroboters durch ein Gehirn-Maschinen-Interface (einem sogenannten BMI System) beobachten und kontrollieren, das die Gedanken des Probanden in robotische Bewegungen übersetzt. Die Probanden tragen ein auf dem Kopf angebrachtes Display, durch das sie in Echtzeit und aus Ich-Perspektive Sicht auf die Hand des Roboters haben und welches zugleich die elektrische Gehirnaktivität (EEG) aufzeichnet und in Bewegungen der Roboterhand übersetzt. Allerdings stellt der Experimentator in unregelmäßigen Abständen die Übersetzung von Gedanken in Bewegungen aus, sodass eine Kontrollbedingung und eine Passungsbedingung geschaffen werden.
Nach der Durchführung der Aufgaben wurde unerwartet eine Spritze in die technische Muskulaturnachbildung der linken robotischen Hand eingeführt. Sofort nach der Einführung wurde die Sitzung beendet und die Teilnehmer befragt, ob sie robotischen Körperbesitz und/oder Schmerz gefühlt hätten. Zusätzlich wurden ihre Reaktionen physiologisch gemessen, indem ihre Hautleitungsfrequenz (skin conductance response - SCR) gemessen wurde. Die Autoren berichten, dass sowohl der Fragebogen als auch die SCR-Ergebnisse zeigten, dass der Operator auf den Schmerz-Stimulus (die Spritze) deutlich stärker unter Passungsbedingungen reagierte, unter denen die robotische Hand den Intentionen des Operators folgte (Alimardani et al. 2013, S. 2).
Wie der Titel des Aufsatzes - "Humanlike robot hands controlled by brain activity arouse illusion of ownership in operators" - bereits anzeigt, behaupten die Autoren, dass das Experiment die Möglichkeit einer Besitz-Illusion des robotischen Körpers im Operator durch rein visuelles Feedback beweist. Allerdings könnte man fragen, ob das Wort „Illusion“ hier angemessen ist. Vielleicht wäre es besser, hier von einer Integration des telerobotischen Körpers in das Körperschema des Teilnehmers zu sprechen – oder, in Plessners Worten, von einem neuen Typus polyzentrischer Grenzrealisierung.
Wie die Experimente von, unter anderem, Miguel Nicolelis, zeigen, ist es auch möglich, festverdrahtete Verbindungen zwischen telerobotischen Glieder und Sinnen herzustellen (Nicolelis 2011). Seine Experimente mit Affen zeigen, dass es möglich ist, robotische Glieder vollständig in das Körperschema von Affen zu integrieren.
4. Poly(ex)zentrizität bei Craniopagus-Zwillingen und das “globale Gehirn”
So spektakulär solche Beispiele von tierischer Polyzentrizität (der Affe) und polyzentrischer Exzentrizität (Cyborgs wie die paralysierten Personen) sein mögen, so begegneten wir doch bislang keinem Beispiel von Poly(ex)zentrizität. Heißt dies, dass wir die ganze Idee der Poly(ex)zentrizität aufgeben müssen?
Nein, das ist nicht der Fall. Es gibt ein faszinierendes, wenn auch ausgesprochen seltenes Phänomen in der Natur, das echte Poly(ex)zentrizität zeigt: die Craniopagus-Zwillinge. Craniopagus-Zwillinge sind an Kopf und Gehirn miteinander verbunden. Viele Craniopagus-Zwillinge haben schwere medizinische Indikationen und überleben die Geburt nicht. Aber es gibt Ausnahmen – wie die von Tatiana und Krista Hogan, die 2006 geboren wurden und immer noch am Leben sind. Sie erhielten große mediale Aufmerksamkeit, zahlreiche Aufsätze wurden zu ihnen publiziert und dann, im Jahr 2014 porträtierte CBC TV sie in einem Dokumentarfilm: Twin Life: Sharing Mind and Body (Pyke 2014).
Tatiana und Krista teilen einen Schädel und Blutkreislauf. Obwohl jede von beiden ein vollständiges Gehirn und ein eigenständiges Bewusstsein mit je einer eigenen Ich-Perspektive hat, gibt es auch eine ungewöhnliche Verbindung zwischen dem Thalamus der beiden Mädchen. Es handelt sich dabei um den Teil des Gehirns, der bei der Regulation von Bewusstsein und der Weiterleitung sensorischer Signale eine wichtige Rolle spielt. Im Ergebnis sind die Nervensysteme der Zwillinge eng miteinander verbunden und können nicht getrennt werden, da eine Operation vermutlich eines oder beide Mädchen paralysieren oder töten würde.
Die Thalamus-Brücke zwischen ihren Gehirnen verursacht sehr seltsame Phänomene. In der CBC TV Dokumentation berichtet ein Arzt, zum Beispiel, dass, wenn eines der beiden Kinder gekitzelt wird, das andere zu lachen anfängt – und steckt man einen Schnuller in den Mund des einen Kindes, so hört das andere auf zu weinen. Die Dokumentation zeigte, wie beim Schauen eines Fernsehfilmes durch das eine Mädchen, das andere den Film tatsächlich mitschaute, durch die Augen ihrer Schwester. Die visuelle Information geht dabei von einem Augenpaar zu beiden Zwillingen. Die Ärzte vermuten, dass der visuelle Input von der Retina des einen Mädchens entlang ihrer optischen Nerven geht und dann in zwei Teile aufgespalten wird. Eines nimmt den üblichen Weg zu ihrem visuellen Kortex, das andere passiert die Thalamus-Brücke zum Thalamus der Schwester und gelangt von dort zum visuellen Kortex.
Diese Beispiele zeigen, dass die Mädchen, genau wie im Falle telerobotischer Assemblagen, polyzentrische Erfahrungen machen (indem sie den sensorischen Apparat des anderen nutzen). Doch sie scheinen darüber hinaus in der Lage zu sein, wechselseitig ihre Gedanken zu lesen, das heißt, sie sind sich introspektiv des mentalen Status bewusst, in dem sich das Bewusstsein der Schwester befindet. Sie sind, mit anderen Worten, in der Lage, im Wortsinn die Perspektive der anderen zu übernehmen. Die CBC TV Dokumentation macht deutlich, dass obwohl sich die Kinder voll bewusst sind, verschiedene Personen zu sein und zwischen ihren Ich-Perspektiven unterscheiden können, sie manchmal die andere für sich selbst oder sich selbst für die andere nehmen. Eine lustige Szene in der Dokumentation zeigt, wie die Mutter die rechte Wange des einen Mädchens mit einem Waschlappen säubert. Als sie das andere Mädchen fragt, welchen Teil sie gerade sauber macht, antwortet das Mädchen richtig „ihr Gesicht“ – aber zeigt zugleich auf ihre eigene Wange.
Philosophisch ist dies ein sehr interessanter Aspekt. Wittgenstein folgend würde die meisten Philosophen argumentieren, dass auf Introspektion basierte Selbst-Zuschreibungen mentaler Zustände gegen Fehler aufgrund von Fehl-Identifikation immun sind, relativ zur ersten Person Substantiv (vgl. Langland-Hassan 2015, S. 1737). Dies gilt, wenn jemand über Zahnschmerzen klagt, so argumentiert Wittgenstein in The Blue Book: ‘‘To ask ‘are you sure it is you who have pains?’ would be nonsensical’’ (Wittgenstein 1969, S. 67). Tatsächlich scheint es absurd anzunehmen, jemand könnte der Meinung sein, sie fühle die Zahnschmerzen eines anderen. Es ist allgemein akzeptiert, dass eine solche Fehl-Identifikation eine logische und metaphysische Unmöglichkeit darstellt.
Gleichwohl, wie Peter Langland-Hassan, in seinem Aufsatz ‘Introspective misidentification” argumentiert (Langland-Hassan 2015, S. 1754), zeigt der Fall von Tatiana und Krista Hogan die Möglichkeit genau einer solchen Fehlidentifikation. Indem die Mädchen tatsächlich den Schmerz der anderen über die Thalamus-Brücke fühlen, ist es weder eine logische noch eine metaphysische Unmöglichkeit, dass sie versehentlich den Schmerz der Schwester für ihren eigenen hält.
Als ein mögliches Gegenargument könnte man hingegen anführen, dass Tatiana und Krista tatsächlich keine zwei Personen sind, sondern eher ein Superorganismus, der nicht nur Teile beider Körper, sondern auch Teile beider Bewusstseine teilt. In der Literatur wird oft behauptet, dass Superorganismen – wie soziale Insekten – über ein „Schwarmgehirn“ verfügen, da für sie „Bewusstsein“ eher ein „soziales Phänomen“ als ein individueller Besitz ist. Das Bewusstsein ist in diesem Sinne eher in der Kolonie als in der individuellen Biene angesiedelt (Queller and Strassmann 2009).
In ähnlicher Weise könnte man behaupten, dass Craniopagus-Zwillinge über ein „Schwarmgehirn“ verfügen. Allerdings ist in diesem Fall der Superorganismus nicht nur polyzentrisch, sondern poly-exzentrisch. Sicher, die Zwillinge teilen ein gemeinsames Bewusstsein der umgebenden Umwelt, aber anders als im Falle polyzentrischer Ameisen oder Bienen, können die „Mitglieder“ des Superorganismus wechselseitig die Perspektive des jeweils anderen einnehmen (vgl. Abbildung 3).
Abbildung 3: Poly(ex)centricity
Wie bereits bemerkt, sind Craniopagus-Zwillinge sehr selten und fragil – insofern mag es etwas seltsam anmuten, auf sie als Beispiel zu verweisen, um für die Möglichkeit einer nächsten Positionalitätsstufe zu argumentieren. Doch wie die tierische Polyzentrizität sozialer Insekten ihren künstlichen Ausdruck in Telerobotern gefunden hat, könnte menschliche Poly(ex)zentrizität ebenfalls einen technologischen Ausdruck finden. Meiner Auffassung nach leben wir in einem Zeitalter, in dem die Konstruktion künstlicher Formen von Poly(ex)zentrizität bereits im Gange ist. Man denke nur an die Idee eines Internets, das sich in Richtung eines globalen Gehirns entwickelt und die Emergenz eines globalen Schwarm-Gehirns erleichtert. Das Internet wurde oft als Nervensystem der Informationsgesellschaft bezeichnet. Vielleicht sollten wir diese Metapher nicht nur als Metapher verstehen!
Wir können zum Beispiel an die Möglichkeit denken, dass globale Gehirne und Bewusstseine in der Form einer weltweit verteilten künstlichen Intelligenz realisiert werden könnten. Wissenschaftler wie Stephen Hawking und Unternehmer wie Elon Musk fürchten, dass dies bald ein realistisches Szenario sein könnte und dass diese überlegenen, selbstbewussten Intelligenzen die Menschheit weit hinter sich lassen (Clark 2014). Bedenkt man jedoch die Komplexität des menschlichen Gehirns, welches aus mehr als 100 Milliarden Neuronen besteht (so viele wie die Sterne in unserer Galaxie!), ist meine Angst vielmehr, dass wir – zumindest in der nahen Zukunft – Gefahr laufen von unterlegenen Intelligenzen wie hirnlosen Robotern und Algorithmen dominiert zu werden.
Im Licht meiner Plessnerianischen Interpretation der Craniopagus-Zwillinge glaube ich, dass es realistischer ist, die Möglichkeit der Entwicklung von künstlichen Thalamus-Brücken in Betracht zu ziehen, welche menschliche Individuen verbinden um somit neue Ebenen menschlicher Kommunikation und koordinierter Handlung zu erreichen. Diese künstlichen Thalamus-Brücken würden nicht wie die Mensch-Maschine-Interfaces funktionieren, die bereits existieren (wie die bereits erwähnten Experimente von Nicolelis mit Affen, oder verwandte Experimente mit Patienten, die unter Rückenmarksverletzungen leiden und mit Hilfe ähnlicher Mensch-Maschine-Interfaces in der Lage sind, einen Roboterarm oder Computer mit ihren Gedanken zu steuern), sondern als Mensch-Mensch-Interfaces, welche es den verbundenen Personen ermöglicht, buchstäblich Gedanken, Willen und Gefühle zu teilen.
Der evolutionäre Erfolg des Homo sapiens gegenüber anderen Hominiden wird häufig mit seinen Fähigkeiten erklärt, die Intention anderer zu verstehen und zu teilen (kollektive Intentionalität), andere extensiv zu imitieren, sich gegenseitig etwas beizubringen und miteinander zu kommunizieren, um Gedanken oder Handlungen weiterzugeben und zu teilen (Tomasello 2016). Die kontinuierlich wachsende Kooperation zwischen Individuen wurde dabei durch die Entwicklung immer effizienterer Kommunikationsmedien ermöglicht, von gesprochener Sprache über Schrift und Druckerpresse bis hin zur gegenwärtigen Telekommunikation sowie Computernetzwerken – und diese schließlich erweitert durch Algorithmen, Datamining und ähnlichem. Kollektive Projekte wie Wikipedia werden häufig als das Ergebnis von Schwarmintelligenz dargestellt und als die Entstehung einer kollektiven Intelligenz oder „Hive Mind“ (Bienenstock-Verstand) (für einen detaillierte Diskussion vgl. De Mul 2018)
Wie bei sozialen Insekten, die sich von relativ selbstgenügsamen Gruppen von Individuen zu integrierten Dividuen entwickelt haben, die nur noch als Superorganismus funktionieren – mögen auch menschliche Wesen demselben Evolutionspfad folgen. Jedenfalls würde ein solcher Superorganismus über soziale Insekten hinausgehen, weil nicht nur die Erfahrungszentren der Dividuen verteilt sind, sondern ebenfalls das Selbstbewusstsein der poly(ex)zentrischen Superorganismen. Für uns bleibt ein solches poly(ex)zentrisches multiples Selbst-Bewusstsein vielleicht ebenso schwer vorstellbar, wie es für ein zentrisches Wesen wie einem Schimpansen schwer vorzustellen ist, wie es wäre, als exzentrisches (menschliches) Wesen zu leben.
5. Fazit
Ich habe versucht zu zeigen – mit und gegen Plessner – dass neue Positionalitätsstufen möglich sind und sogar bereits bestehen (vgl. Abbildung 4). Im Falle der Telepräsenz erfolgt dabei eine Multiplikation des Erfahrungszentrums. Obwohl die experimentellen und praktischen Implikationen enorm sind, hat eine nähere Analyse gezeigt, dass eine solche Form von Polyzentriziät die exzentrische Positionalitätsform nicht transzendiert. Obwohl die Einleibung unserer exzentrischen Position in einen künstlichen Körper eine fundamentale Modifikation unserer Positionalität darstellt, so verändert sie doch nicht die exzentrische Positionalität selbst.
Abbildung 4: Five types of positionality
Dasselbe kann über die Effekte psychotropischer Drogen, Tiefen-Hirn-Stimulation und genetische Interventionen gesagt werden, die nach Peter-Paul Verbeek in seinem Beitrag in Plessner’s Philosophical Anthropology. Perspectives and Prospects eine meta-exzentrische Positionalität bewirken (Verbeek 2014, S. 453). Obwohl Verbeek Recht hat, dass alle diese Technologien in das menschliche Bewusstsein eingreifen und als solche tatsächlich einen Einfluss auf unsere Stimmungen, unsere Konzentrationsmöglichkeiten oder gar auf bestimmte Charakterzüge haben, so kann man doch bezweifeln, dass sie wirklich Exzentrizität selbst verändern. Wie im Falle der Telepräsenz verändern sie Exzentrizität mehr, als dass sie diese transzendieren. Ähnlich wie im Falle von Lernen, Meditation oder Disziplinarmaßnehmen kann unser In-der-Welt-Sein und unser Selbst-Bewusstsein verändert werden.
Wie ich demonstrieren konnte, finden wir in den Craniopagus-Zwillingen Tatiana und Krista Hogan, eine Verkörperung einer poly(ex)zentrische Lebensform, die tatsächlich über die Exzentrizität der menschlichen Lebensform hinausgeht. Letztlich treffen wir hier nicht nur die Materialisierung einer bereits existierenden Position (Außerhalb-Unseres-Körpers-Sein), sondern eine Verdopplung des Selbst-Bewusstseins und einer Reihe von Phänomenen wie der Fehlidentifikation, die aus der Perspektive einer exzentrischen Lebensform, charakterisiert durch ein einzelnes Bewusstsein, eine logische und metaphysische Unmöglichkeit zu sein scheint. Obwohl extrem selten, können Craniopagus-Zwillinge als Vorreiter künstlicher Formen von poly(ex)zentrischer Positionalität angesehen werden, die auf künstlichen Thalamus-Brücken beruht. Solche Thalamus-Brücken könnten sich als zentrale Elemente in der Konstruktion sogenannter „globaler Gehirne“ und begleitenden menschlichem „Schwarm-Gehirn“ erweisen (De Mul 2016).
Evolution ist ein kontingenter Prozess. Es ist daher unmöglich vorherzusehen, wie die Form des Lebendigen, die wir immer noch als menschlich bezeichnen, sich in diesem Jahrhundert entwickeln wird – einem Jahrhundert das charakterisiert ist durch converging technologies mit all ihrem Potential, die exzentrische Lebensform, wie wir sie kennen, in fundamentaler Weise zu verändern. Viel wird von unseren Entscheidungen abhängen, denn wir sind vielleicht die erste Spezies auf der Welt, die in der Lage sein wird, ihre eigenen evolutionären Nachfolger selbst hervorzubringen.
Literatur
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[1] Genau genommen war es die erweiterte Version einer holländischen Vorlesung, die ich am 21. Juni 1995 an der Erasmus University Rotterdam auf einer kleinen Konferenz anlässlich des zehnten Todestags Plessners gab, auf welcher auch die holländische Ausgabe des Buchs Helmuth Plessner oder Die verkörperte Philosophie von Hans Redeker präsentiert wurde, der von 1945 bis 1951 in Groningen der Assistent Plessners war, bis zu dessen Berufung in Göttingen.
[2] Diese Charakteristika sind objektiv, nicht im quantitativen jedoch im qualitativen Sinne. Unter Einsatz einer von Meyer und Helmholtz entliehenen Formulierung, bestimmt Plessner sie als „organische Modale“. Das organische Modal ist eine „qualitative Letztheit“, „die nicht durch Reduktion auf andere Qualitäten weiter analysiert werden kann” (Plessner IV, S. 158).
[3] „Durch seine Expressivität ist er also ein Wesen, das selbst bei kontinuierlich sich erhaltender Intention nach immer anderer Verwirklichung drängt und so eine Geschichte hinter sich zurückläßt. Nur in der Expressivität liegt der innere Grund für den historischen Charakter seiner Existenz“ (Plessner IV, S. 416).
[4] “A ‘primitive’ (less derived) grade is represented by several ponerine species, where members of the colony have full reproductive potential and there is considerable interindividual reproductive competition within each colony. Highly advanced grades are represented, for example, by the leafcutter ant genera Atta and Acromyrmex and the Oecophylla weaver ants, where the queen caste is the sole reproductive, and the hundreds of thousands of sterile workers occur as morphological subcastes that are tightly integrated in division of labor systems. These societies exhibit the ultimate superorganism states, where interindividual conflict within the colony is minimal or nonexistent” (Hölldobler and Wilson 2009, S. xvii).
Übersetzt von Anna Henkel (Leuphana Universität Lüneburg)